20.04.2014

Der Winter ist vorbei. Wiederauferstehung ist angesagt. Interessant, dass genau jetzt sich mein Smartphone beharrlich weigert, den Dienst anzutreten. Da nichts ohne Grund geschieht, frage ich mich, welche (frohe?) Osterbotschaft mir da vom großen Geist zugespielt wird.

19.04.2014

Weiterhin suchen und stöbern. Neugierig und hungrig bleiben. Sehnsucht nicht melancholisch beweinen, sondern als Kraft begreifen. Spannungen und Zwiespälte wenn schon nicht genießen, dann wenigstens aushalten. Nichts Großes. Nichts Kleines. Gewöhnlich. Mittelmäßig. Menschlich – und daher absolut großartig.

18.04.2014

Jesus lebt (noch). Ich habe ihn gestern gesehen, in Langenthal, auf dem Wuhrplatz. Er war halb begraben unter dem großen Holzkreuz, das er durch die Gegend schleppte. Zuerst dachte ich, dieses Mysterienspiel wäre Teil einer subtilen Satire, gleich würde der SRF um die Ecke biegen und die versteckte Kamera auspacken. Dem war nicht so, dieses Kreuzigungs-Straßen-Theater war absolut ernst gemeint und Teil eines extrem offensiven Missionsbedürfnisses.
In posthistorischen Zeiten wirkt eine derartige Aktion nicht nur fremd, sondern fast schon bedrohlich.

17.04.2014

Männer in mittelalten Jahren neigen sehr häufig dazu, komplexe Problemfelder derart zu vereinfachen, dass am Ende immer eine Frau steht, die an allem Schuld hat, nötigenfalls auch die eigene Mutter. Ein interessantes Muster, finde ich, dem man nachgehen sollte.

16.04.2014

Heute, genau vor einem Jahr, saß ich im Zug nach Hause. Dass die Rückreise derart lang und mit so vielen kleineren und größeren Umwegen gesegnet sein würde – hätte ich das damals gewusst, ich wäre wohl nicht eingestiegen.
Es hat sich gelohnt, ohne Zweifel, der Blick zurück erfolgt nun mit einem Lächeln. Vieles, das sackschwer und selbstgewollt an meinen Kräften zehrte, konnte ich hinter mir lassen: Ängste, Vorstellungen und auch Menschen. Gewonnen habe ich eine Balance, die zwar nicht hundert Prozent stabil, aber stets verlässlich herzustellen ist. Allein dafür hat sich alles gelohnt.
Die kleinen und kleinsten Siege schimmern im Tageslicht, für mich und all jene, die es auch sehen können.

15.04.2014

War es Zadek? Oder doch Heiner Müller? Egal. Von einem dieser deutschen Theater-Großwesire wird kolportiert, dass seine Mitarbeiter dazu verpflichtet wurden, den Arbeitsweg gefälligst mit Bus und Bahn zu erledigen, statt mit dem sogenannten »Individualverkehr« die Straßen zu verstopfen. Andererseits – und wichtiger – sollte es auch dazu dienen, um aus dieser verdammten Filter-Blase raus zu kommen, in der man sich gewöhnlich und so gerne bewegt. Dass man gezwungen wird, Boden- und Menschenhaftung zu bewahren, ihrem Reden zuhört, von ihren großen und kleinen Träumen erfährt, sich ihre Viren und Bazillen einfängt und die geheimsten Wünsche und Ängste seines tatsächlich Nächsten erspürt. Es ist wirklich sehr heilsam, dass »Ich« für die Zeit zwischen ein paar Haltestellen hintenan zu stellen. Und nachher wieder irgendwo abzuholen – aufgeladen mit allem, was der Fall ist.

14.04.2014

Der Wind verteilt die jungen Blüten des Kirschbaumes vor meinem Fenster. Wie Schneeflocken gleiten sie schwerelos in alle Richtungen, segeln majestätisch zu Boden und warten stolz auf ihr Verwelken. Mehr gibt es nicht zu tun. Für die Kirsche. Und im Leben.

13.04.2014

Maurice hat Kummer. Maurice ist verliebt. Unglücklich, weil unerwidert. Am liebsten würde er gegen einen Baum fahren und seinem Leiden ein schnelles Ende machen. Ich finde das keine gute Idee. Genauso wenig finde ich den Vorschlag von Heinz zielführend: Er meint, Maurice solle sich einfach nackt in ihren Garten stellen, am besten mit einem Ständer vom Ausmaß einer Pinocchio-Nase. Dann würde sie schwach – »aber sicher«. Ich glaube nicht, dass Frauen so ticken, zumindest nicht immer, in diesem speziellen Fall schon mal gar nicht, da Maurice in seiner fleischigen Nacktheit alles andere als zum Anbeißen einlädt.
Was also tun mit seinem Kummer? Seiner Sehnsucht. Seinem Verlangen – und hier zitiere ich Bukowski – mal endlich wieder zu pimpern (bzw. endlich mal überhaupt zu pimpern, was ich vermute). Ich sage ihm, dass nichts über eine solide Männerfreundschaft geht. Die wäre auch niemals so kompliziert, wie es Beziehungen zu Frauen oft sind. Mit diesem ganzen unnötigen Subtext-Gelöte.
Ich bin mir nicht sicher, ob Maurice mir in Gänze folgen kann, ist letztlich auch latte. Was zählt: dass er nach unserem Gespräch beschwingt in seinen kleinen Wagen mit großem Sportauspuff steigt und breit grinsend in den Sonnenuntergang fährt.

12.04.2014

Es gibt Tage, die sind voll mit Erde, Staub und wohliger Müdigkeit, mit elektrischem Licht am Ende und einem netten Gespräch auf der Bank, in der Dämmerung, mit einem verdienten Schluck Bier, der einfach göttlich schmeckt. Heute ist mal wieder so ein Tag.

11.04.2014

Als ich heute bei Tagesanbruch an der Sieg entlang lief, stand er mir unvermittelt gegenüber: Minimi. Ich hatte ihn lange nicht mehr gesehen. Er sah scheiße aus. Mager, unrasiert, bleich. Wir gingen ein Stück nebeneinander. Ich schwieg. Er schwieg. Es dauerte nicht lang und in einem schier unstoppbaren Schwall aus Worten, Gesten und Blicken ergoß sich sein existentielles Leid direkt vor meine Füße. Ich kannte das bereits. Diesmal jedoch tappte ich nicht in die Falle und konnte dem Drang widerstehen, in sein Lamento einzustimmen. Ich ließ einfach abtropfen. Nicht, dass ich gefühllos war oder hart – ich hörte einfach nur zu. Ohne zu werten. Hörte zu, bis ganz zum Ende. Minimi war irgendwann leer. Er wartete auf Reaktion. Und ich tat genau das, womit er nicht gerechnet hatte, ich umarmte ihn stumm – und objektivierte dann sachlich seine Ängste, Zweifel und Panikpocken. Interessiert hörte er zu, dachte und spürte über meine Worte nach, lächelte sogar – genau zwei Mal!
Als nichts mehr zu sagen war, trennten sich unsere Wege. Ich trabte weiter Richtung Brücke, er nahm die Abkürzung übers Wasser. Seine nackten Füße hinterließen hübsche konzentrische Kreise auf der Oberfläche. Ich freue mich darauf, Minimi mit Herrn Fäseke und Paul LeChien bekannt zu machen.