Haiku (LI)
»Was schuldest du mir?«
Falsche Frage. Darum geht’s:
Was schulde ich dir?
Haiku (LI)
»Was schuldest du mir?«
Falsche Frage. Darum geht’s:
Was schulde ich dir?
»Der Zweck der Revolution ist die Abschaffung der Angst.«
Theodor W. Adorno in einem Brief an Walter Benjamin vom 18. März 1936
»Der einzige Weg, um mit einer unfreien Welt fertig zu werden, ist so absolut frei zu werden, dass die eigene bloße Existenz zu einem Akt der Rebellion wird.«
Albert Camus
Find sublimity (in imperfection)
Pale Blue Eyes – Reason
Rolf (life in an nutshell)
Nick Drake – Cello Song
Ein Flohmarktfund, dieses Foto – gut versteckt in einer bunten Kiste, zwischen Porzellan und Hongkong-Tinnef. Es deutet auf ein Leben, bzw. einen Moment davon, technisch fixiert mit Silberbromid. Kalendarisch gar bezeugt. Es geschah.
Dieses Leben, alles Leben, ist so flüchtig, stets ein Tropfen im Ozean. Dennoch immer einmalig. Ich frage mich, was der Kosmos für das offensichtliche Geburtstagskind Rolf anschließend bereit hielt. Ich wünsche ihm nachträglich alles erdenklich Gute.
Ich kam zur Erkenntnis: Es gab hunderte Generationen vor Rolf, hunderte nach ihm (und mir und dir) wird es geben. Wir alle sind Teil eines größeren Epos, dessen letzter Akt noch lange nicht gespielt ist. Und nehmen unsere Existenz – als Trugschluss – viel zu wichtig, quasi als Singularität.
Lasst uns mehr spielen. Wie der kleine Rolf.
Almost everything collides (harmoniously)
Helios – Intertwine
Momente (XIII)
Empört euch! Bzw. »I would prefer not to.« (Bartleby)
von JOHN (TIMESTWO) – Trauma Mosaic
I’ve looked at life (from both sides now)
Joni Mitchell – Both Sides Now
Haiku (L)
Stories, die du dir
lang schon erzählst, über dich –
stimmen sie jetzt noch?
Momente (XII)
Vielleicht wurde mir diese Gabe einst aufgenötigt, um zu überleben: andere Menschen lesen zu lernen. Ich weiß es bis heute nicht. Eigentlich ist es auch egal, warum. Lange Zeit nutze ich diese Fähigkeit, um das zu erzwingen, an dem es mir mangelte – hilflos, ungefragt, übergriffig, manipulativ. Das kann ich nicht mehr ändern, retrospektiv. Es tut mir leid.
Aber ich verurteile mich deshalb nicht (mehr), ich sehe und verstehe das einst leidende Kind. Und nun, als reifer Mann, ist es anders und klarer: Diese Gabe, dieser Fluch, dies ist eine Polarität.
Was einst mir galt – und nur mir allein – gilt es zu verschenken. An das ebenso leidende Gegenüber, wenn gefragt und immer nur als Angebot. Aber stets aus Liebe. Und dem Wunsch nach Begegnung. Und Heilung.
PS: Alles Gute zum Geburtstag, Beate; I owe you so much – and deserve so little.
Human (dignity)
Midwife & Vyva Melinkolya – Miss America
»Was bin ich nur für ein verfickter Voyeur«, dachte ich, als ich auf den Auslöser der Sony Alpha drückte, ich bin ein Seelenräuber, jemand, der das vermeintliche Leid anderer nutzt, um mich – vermeintlich künstlerisch – zu produzieren, meinem Ego zu schmeicheln. Ein empathiefreier Technokrat.
Ich beobachtete diese Frau, die man vor einhundertfünfzig Jahren als ‚Monster‘ (Neudeutsch: Freak/Weirdo) bezeichnet und in einem Kabinett gegen Entgelt ausgestellt hätte, dann verstohlen – und bewusst beiläufig – aus meinen Augenwinkeln, als sie nach ihrem sun-nap erwachte und ihre Weiterfahrt aufgleiste. Ich war überrascht, ihr Gesicht zu sehen: Es war offen, liebenswürdig, so schön und warmherzig. Keine Spur von Leid, Ohnmacht, Scham oder Zorn. Was ich sah: Akzeptanz und Würde. Sonst nichts. Ihre körperliche Deformation war schlagartig egal.
Ich sah: Einen Menschen.
Es dauerte gefühlte Ewigkeiten, bis sie sich in den Rollstuhl bugsiert hatte. Anschnallen. Bedienelemente vom E-Rolli in Position bringen. Ein triumphierendes Lächeln. Dann brauste sie ab Richtung Palmengartenwehr.
Ich sah ihr lange nach. Voll tiefster Bewunderung und Demut.
Es geht um den Wert, dem man sich selbst beimisst.
Nichts anderes zählt.
Dafür Dank.