Nicht nur im Anfang: Das Wort

Worte haben Macht. Und das meist sogar ohne jegliche Gewalt. Oft reicht schon der Klang. Für Assoziationen. Und das Prägen unserer Gedanken und Gefühle.
Will Hoffmann (dessen wunderbares Video »Moments« hier schon vorgestellt wurde) hat zusammen mit Daniel Mercadante für Radiolab einige eben jener Worte in vielschichtige Bilder verwandelt. Mal humorvoll, mal tiefsinnig. Immer jedoch anregend.

Früher, als ich noch als Script-Editor tätig war, hatte ich eine wiederkehrende Phantasie: Szenen von nicht ganz so sprachbegabten Autoren ganz wörtlich zu verfilmen, also: „Er schoss um die Ecke“, „Sie beschleunigte ihren Schritt“, „Sie treten aufs Gas“. Ist leider nichts draus geworden – nein, eher: Gottseidank! Denn Wills Version ist einfach viel poetischer.

Das gleiche gilt auch für die Musik: Der Score ist nämlich von Keith Kenniff (er sollte hier auch schon hinlänglich bekannt sein). Keith hat übrigens heute unter seinem Goldmund-Label ein neues Album namens »Famous Places« auf Western Vinyl veröffentlicht. Er beschreibt darin musikalisch einige wichtige Orte seines Lebens.
Das Stück »Fort McClary« daraus gibt es hier als freien Download.

Genug der Worte: Film ab.
 
 
Radiolab and NPR – Words

Our day will come

Während so genannte Künstler irgendwann einmal so ein bisschen den Arsch hoch und die Zähne auseinander gekriegt und dadurch einem pseudo-engagierten Mitläufer-Mob ihre echt total unvergessliche Gruppen-Experience in der Kölner Südstadt bereitet haben (von denen einige Genossen sicher noch ihren Enkel erzählen würden, hätten sie nicht bereits ihre Fortpflanzungsfähigkeit sozial-verantwortlich wegtherapiert) – ich meine so Bundesverdienstkreuz-bestückte Künstler-Typen wie Wolfgang „Dylan“ Niedecken – einer, der einst auf dicke Hose machte („Stollwerk!! Bollwerk!!“) und erst kürzlich dem Boulevardblatt „Express“ sein jugendliches Missbrauchstrauma offenbarte (offenbar, um auch etwas zur Missbrauchsdebatte im katholischen Puff beizutragen) – gibt es gottseidank inzwischen eine neue Generation von politisch aktiven Künstlern, die wahrhaft Eier in der Hose haben und Statements abliefern, die sich wirklich gewaschen haben.

Zum Beispiel die tamilisch-britische Sängerin Mathangi Arulpragasam – besser bekannt als M.I.A. Zusammen mit dem Regisseur Romain Gavras lieferte sie vor ein paar Tagen einen als Video getarnten Kurzfilm zu ihrem neuen Song »Born free« ab, der aufgrund seiner (vordergründig) verstörenden und unerträglichen Gewalt umgehend von YouTube „zensiert“ wurde (es ist ein Altersnachweis erforderlich, um den Film auf dieser Plattform sehen zu können).

In drastischen – immer aber allegorisch zu verstehenden Bildern – wird darin etwas konsequent zuende gedacht (und gezeigt!), das möglicherweise schon bald real werden könnte, beziehungsweise in viel subtilerer Weise bereits tagtäglich passiert: Neo-faschistische, rassistische Hetzjadgen auf Andersdenkende, in diesem speziellen Fall: Rothaarige. Systemimmanente Gewalt.

Sicher war die Zensur-Keule durch einen Giganten wie Youtube ein Stück weit im Vorfeld mit einkalkuliert – so etwas erzeugt im Netz ja schnell einen irren Buzz, sprich: Aufmerksamkeit.

Zurecht. Es kommt nicht oft vor, dass Künstler (sowohl M.I.A als auch Gavras) so eindeutig wie mutig Stellung beziehen, ihre Haltung ungeschminkt offenbaren und das Vehikel Pop-Kultur benutzen, um Ideen, Visionen und auch Ängste zu formulieren. Für den einen oder anderen ist dieses Video sicher shocking oder einfach nur exzessiv übertrieben. Mag sein. Das sind aber genau die Leute, die bereits lobotomiert und gebrainwashed im spektakulärem Konsumnirvana einbetoniert sind.

Alle anderen atmen erstmal tief durch, dann tief aus: Endlich!
Endlich wagt mal jemand einen Aufbruch!
Dieser Film setzt einerseits einen neuen Maßstab im Bereich Musikvideos (der zu lange schon zur verkaufsfördernden Maßnahme degeneriert ist), andererseits betritt Kunst wieder jenen Sektor, der bisher von tumben, konsequenzlosen und vordergründig merkantil orientierten Tabubrüchen überzogen war:

Ich meine natürlich gesellschaftliche Relevanz.

»Born free« macht wütend. Extrem wütend. Es sind nicht nur die Bilder, es ist insbesondere die Musik, die in einem aggressiven Electro-Punk-Staccato die Synapsen neu verdrahtet.

Wut ist das, was gegenwärtig am meisten fehlt. Gleichgültigkeit und Lethargie, wohin man auch blickt. Doch: Wut macht auch Mut, wenn richtig kanalisiert.

Genau darum geht’s: Nicht immer nur schlucken, ducken und vermeintliche Konkurrenten abfucken, um die eigene, kleine Scholle zu retten. Nein, endlich wirklich mal den Arsch hoch kriegen und sein vertrocknetes Maul aufmachen. Möglicherweise auch ein paar Schläge in die Fresse kriegen. Das ist Teil des Spiels.

Frage: Ist das alles noch Kunst?
Ja. Und zwar in Bestform. Wahre Kunst darf das nicht nur, sie muss.
Your day will come, artist. Thank you.
 
 
M.I.A – Born Free (Official Video, uncut)

It’s all about beauty

Es gibt so viele stille Momente und scheinbar unscheinbare Dinge, die einen zum Weinen bringen. Vor Glück – wenn man genau hin sieht und das Schöne erkennt.

Besonderer Dank an Chaz Bundick (aka Toro Y Moi). Sein neues Album »Causers of This«, das Ende Februar 2010 auf Carpark Records erscheint, ließ mich sein Blog besuchen. Dort entdeckte ich die beiden Videos – und mit »16: Moments« von William Hoffman auch die Musik von Jónsi & Alex (ihr majestätisches Album »Riceboy Sleeps« ist dringend zu empfehlen).
Was für ein Samstag voller wunderbarer Zufälle …

 
 
Radio Lab – Moments