Lost boys (of summer)
Lost boys (of summer)
Momente (I)
(1)
Rote Punkte haben ihre Strümpfe, das kleine Gesicht: so müde. Viertel nach sieben, auf dem Weg zur Schule, freitags, die Woche war lang. Mit dem Rücken zu ihr: die Schwester, ein Pferd aus Plüsch und speckig lugt aus dem Ranzen heraus. Ganz zärtlich, als hätte das Stofftier Angst, streichelt sie die Mähne, küsst sanft das Ohr, flüstert Worte voll Trost, schmiegt sich an, spendet und findet Wärme. Einige Menschen in der Tram blicken zu Boden, offensichtlich tief gerührt, sie möchten vermeiden, dass jemand dies sieht.
(2)
Erste Klasse im ICE nach Köln. Der Servicemann verteilt Weingummis an erfreute Kinder. Auf dem Boden, im Gang vor den Türen, wo ich stehe: ein kleines Häufchen Elend. Zusammengekauert über Rucksack und Jacke, das Smartphone in dürren Händen, die Wangen rot, die Augen verquollen und nass, sitzt sie am Boden und vertraut Leid und Trauer dem metallenen Gerät an. Ich bin nicht da. Für sie.
(3)
Er stürzt sich regelrecht in die Gespräche, am Feuer, an dem wir stehen, die Flammen zeichnen flüchtige Schatten auf seinem Gesicht. So flüchtig, wie das kurze Leben seiner Tochter, die ebenfalls stürzte, von einer Brücke. Vor zwei Monaten. In den Tod. Sich.
(4)
Ihr Lächeln ist mysteriös wie ihr Schweigen, das jetzt zwischen uns steht. Sie ist Imkerin, der Vater ihres Sohnes ein Nichtsnutz, säuft sich tot. Drei Bienenvölker musste sie vor Kurzem verbrennen, sie waren krank und Gefahr für die fünfundfünfzig anderen. Zwei Tage hat sie geweint, sagte sie, deswegen. Ihr Blick ist voller Kummer. Und Sehnsucht. Davon erzählt sie nichts.
(5)
Es zerreißt ihm das Herz: das Glück, des anderen, es zu sehen, zum Greifen nah. Glück und Liebe, die er einst teilte. Mit ihr. Nun jedoch unendlich fern. Seine Finger haben Mühe, aus Tabak und Papier eine Zigarette zu fertigen. Es scheint, als würde ihm das alles entgleiten.
(6)
Rücklings fällt er in den Brombeerbusch. Es geschieht im Spiel, er lachte laut und verstummte schnell, nun weint er. Der Vater entfernt ihm Dornen aus Gesicht, Händen und Beinen. Seine Worte, nach ein paar Sekunden, in einer Sprache, die ich nicht verstehe, zaubern dem Kleinen ein Lächeln ins Gesicht, dann ein befreiendes Lachen aus der Kehle. Tränen kullern seine Wange hinab. Wüsste man nicht, was vorher geschah, sähe man einen Jungen, dem die Tränen kommen – vor Freude.
The town (and the waste)
Interzone (again)
September Song (II)
Herbstnebel keine
Nähe nährend
Kein Pflaster als
Trost Sex so
Schön wenn
Vorüber Seelen
Wundgevögelt
Im Ozean der
Stille vereint
Wachen
Lesen
Lange Briefe
Der Sommer
So groß
So weit
So gut
So fern
Tony Anderson – Butterflies
Standing proud (in decay)
#nachtderkunst2017
I’ve seen the light (of autumn)