28.02.2014

Morgen früh, wenn es dämmert und Nebel aus dem Flussbett steigt, werde ich wieder fluchen und mich fragen, warum ich das überhaupt mache. Natürlich, weil es Spaß macht und entspannt – besonders die Dusche und der Dopio danach.
Und dieses fiese Luder, jener zum Ende hin brutalisierende Anstieg, dort beim Gymnasium, zum Aussichtspunkt hin, ein Ort mit wundervollem Ausblick auf das genannte Flussbett, das werde ich auch mit meinen Brooks bezwingen.
Und dann wird er mir begegnen, wie gewohnt, mitten im Wald, zwischen Buchen und Eschen, dieser andere Jogger, der einen ähnlichen Laufrhythmus hat, wie ich. Ein, zwei Jahre ist er älter, es scheint zumindest so. Stets grüße ich ihn sehr freundlich, während ich endlich ein bisschen bergab traben darf und er sich mühevoll bergan wuchten muss. Kein Lächeln schenkt er mir, keinen Blick. Nichts – außer Nichtachtung. Er sieht verbissen aus. Er kämpft mit sich. Gegen sich. Hasst sich, mich – und vielleicht auch die Welt.
Wenn er mich dann passiert hat und ich nur noch seinen stampfenden Tritt und ein irgendwie eckiges Atmen höre, drehe ich mich kurz um – und sehe meinen eigenen Schatten davon rennen. Er trägt den gleichen Hoodie, den ich 2012 besaß. Und der Schweiß, der von den Ästen abtropft, riecht nach Angst und Trauer.
Vielleicht schenke ich dem bekannten Läufer ohne Namen morgen wortlos einen Apfel.
Und ein noch freundlicheres Lächeln als sonst.

27.02.2014

»Merkwürdig«, dachte Fäseke, »warum fühle ich mich in letzter Zeit eigentlich so erschöpft?« Dabei blickte er fragend rüber zu Herrn Paul LeChien, der sich gerade auf dem Kissen räkelte. »Ich mache doch nicht mehr oder gar anderes als sonst auch!«
»Eben, genau das ist ja das Problem«, sprach Paul, drehte sich wieder um, suchte und fand die bequemste Position und seufzte dann sichtlich entspannt.

26.02.2014

Eigentlich bin ich ja ein Schwein, aber was soll’s: es muss sein, es muss sein.

— Michel Poiccard (Paris, 1959)

Kurz vor Ende wird Michel erschossen, von hinten, er bricht auf der Straße zusammen, mit seiner obligatorischen, qualmenden Gitane im Mundwinkel.
Ganz am Ende der Geschichte wird Patricia fragen: »Qu’est-ce que c’est dégueulasse?«
Michel zieht es vor, sich mit einer Hand die Augen zu schließen und zu sterben, statt eine Antwort zu geben.

// Dies soll mein vorerst letzter Abstecher in die Zitaten-Zutaten-Kammer gewesen sein; was fortan zählt: die eigene Stimme

25.02.2014

Sätze.
Umbausätze.

Du entdeckst, dass du absteigst, wenn du ein totes Pferd reitest.
Hab’ langsam die Schnauze voll Ich.
Gut ist wissen, wann man muss.
Dem Nichts ist mehr hinzuzufügen.
So ganz niemals geht, man!

Und verzeihen auch.

24.02.2014

Sätze.
Grundsätze.

Kein schlechtes Gewissen mehr haben müssen, wollen und dürfen. Viel zu lang diente diese Formalin-saure Instanz als Münzschlitz für den mentalen Flipperautomaten – jenen vollausgestatteten Höllenapparat, der wirklich alles bietet, um einen auf Trab zu halten: Extrakugeln, End-Of-Ball-Bonus und natürlich das Gnaden-Tilt am Ende.

Nein.
Ich mag mich nicht mehr spielen lassen:
Von Echos aus fernen Kindertagen;
Von kalkulierten Projektionen noch entfernterer Kriegsversehrter;
Von sonstigen verletzten Seelen, die selbst breitseitig reinprügeln und dies Liebe nennen.

Ja.
Steckt nur weiter eure Münzen rein. Es macht nichts weiter – außer, dass es einzahlt, auf die Zeit, wenn ich alles zurück zahle. Mit einer Rendite, dies sich sehen lassen kann: Denn nicht Vergeltung oder Groll sind dann die Währung, sondern simples Verständnis und Mitgefühl.

22.02.2014

Die Erkenntnis der Freiheit ist erlösend – und beängstigend: Je mehr man die Fesseln sprengt, umso schwerer wird es, sich weiter hinter Projektionen und Kompromissen zu verschanzen. Freiheit duldet Ausreden nur kurz. Dann beginnt sie, langsam durch vermeintliche Sachzwänge zu diffundieren. Sie hinterlässt als Andenken einen sehr sublimen Schmerz, der sich massiv einprägt, in sämtliche Poren.

21.02.2014

Du musst nicht wieder in alte Muster verfallen.
Es steht dir jederzeit zu, sie abzulehnen.
Es ist dein Spiel. Es ist deine Wahl.
Freiheit beginnt dort, wo Müssen aufhört.
Tief drinnen schreibst du das Drehbuch.

Jedoch gibt’s auch geschickte Regisseure.
Lächelnd treten sie von Außen an dich heran.
Oder sie stehen schon Ewigkeiten hinter dir.
Und sie wollen immer nur dein Bestes.
»Spiel’ bitte den Glanzpart, ein Mal noch, für mich.«

Dann besteht Freiheit im Müssen.
Im inneren Zwang, zu sagen: »Nein!«
Mutig ins Licht zu treten, auf die Bühne, ganz allein.
Dein Haupt zu bewahren, aufrecht und klar.
Die Frage nach der Rolle, sie stellt sich dann ein.

20.02.2014

Was noch zu sagen wäre:
Die Augen des alten Feldhasen hatten wieder Glanz, als er laut lachend im Unterholz verschwand.
Und die Machete habe ich heute tatsächlich zurück gebracht.
Ich tauschte sie gegen ein Opinel n°12, das ich nun jeden Tag bei mir trage.

19.02.2014

»Manchmal frage ich mich, warum ich das überhaupt alles noch mache. Ich gehe auf die Fünfzig zu. Außerdem langweilt es mich.«
Wir stehen vor seinem Auto, eigentlich will er einsteigen. Anderseits auch wieder nicht.
»Sozialarbeiter, oder so, das wär’s irgendwie. Was Sinnvolles halt. Verstehste?«
Ich schweige. Und verstehe.

Lässig ‘tschuck-tschuckt’ er den Renault mit der Fernbedienung auf, wirft seine abgeschabte Ledertasche auf den Beifahrersitz und wendet sich mir erneut zu.
Wartet. Auf irgendwas.

»Und? Worauf wartest du?«, frage ich ihn, als die Zeit reif dafür ist.
Kurz denkt er nach, kratzt sich am Kinn.
»Weiß nich’.«

Ich nehme ihm dem Autoschlüssel aus der Hand, steige in den Wagen, schließe die Tür, stecke den Schlüssel in die Zündung und starte den Motor.
Er wartet. Auf die Auflösung. Irgendeinen Sinn muss mein Verhalten ja haben. Zwangsläufig.
Ich lasse das Seitenfenster runter surren.
»Was wird das jetzt?«, fragt er tonlos.
Ich verstelle den Außenspiegel ein wenig. Passt.

»Eine Geschichte ohne Pointe wird das», antworte ich, lasse das Fenster hoch surren, gebe Gas.
Und dann würge ich irgendwie den Motor ab, wie ein blutiger Anfänger.