Rappelle
Für Lili
Der Horizont schien endlos, das Himmelsblau unermesslich, nichts gab es, deinen Blick zu trüben, selbst die Tränen nicht, in deinen Augen, kaum zu sehen, nur von nahem, des stillen Glücks, jenes, das Worte nie wird beschreiben können, glitzerten, neugeborene Diamanten, die der Wind dir schenkte, von irgendwo, aus unbekannter Ferne vielleicht, beiläufig hingetupft, die Welt, sie amtete Leichtigkeit, Verheißung, in jeder Sekunde, die tagelang währte, und dein Herz, so groß, so weit, fasste alles, sprachlos, dankbar, du vergaßt die Zeit, dachtest, sehntest, dieser Moment dauere ewig, wie das Blütenleuchten in deinem Haar, halten wolltest du es, alles, halten, halten! – dann war es vorbei, entglitten, kein Kuss zum Abschied, nur welkes Laub blieb dir, im Mund, schal und rau und die kristallenen Juwelen: trübe Onyxe nun, facettenlos, die du vergrubst, in dir, voll Trauer und Schmerz, Scham kam hinzu, du wittertest Verrat und Schwäche, deine, und der Horizont wurde schmal, der Himmel grau, die schwarzen Steine lagen und liegen bitter dir im Magen, jedoch: sie schlafen nur und warten, dass du den Blick wieder hebst, begreifst, was du in dir trägst, diesen Schatz mutig hievst, ins Licht hältst, fliegst, lächelnd und frei, dem Wind entgegen, der sie schleift, erneut – wenn du dich erinnerst.
Clem Leek – What Happens Next
07.04.2017
Haiku (III)
Kein Hormonyoga,
ein Kretin herzt Schreck mir weg –
oh, Elfenfrühling!
07.04.2017
Some urban legend (shiny & a tergo)
04.04.2017
Lieböse Gedanken
Seltsam die Vorstellung
draußen sind Personen
die wohlmöglich gerade
mehr oder minder zärtlich
Hand an sich legen und
an mich denken
dabei.
Eine vielleicht
mit Tränen
in den Augen
eine andere
mit Lächeln
auf den Lippen
eine weitere
mit Zähnen
zusammengebissen
und ’nem Messer
dazwischen.
Stumbleine – Lunar
03.04.2017
Haiku (II)
Kirschblütenpompoms;
offen für Spontankunden —
im Tal der Rosen!
02.04.2017
April-Scherzo
Leichtigkeit streifte
mich flaumluftig an einem
Buschwindröschenbach
erinnerte ermahnte lachte
was Sache ist und – ach:
dann fiel mir noch
ein Buch
auf die Füße
nicht davor
von einem Regal
dem war’s egal
mir aber nicht – denn:
Schönes gab’s mir auf.
Spielend, ja spielend,
Durchquere ich diese fließende Welt:
Hier, wo ich mich befinde,
Ist es da nicht gut,
Die bösen Träume,
anderer Menschen zu zerstreuen?
— Ryōkan-san
(auch bekannt als Taigu (großer Narr); Zeitgenosse von Goethe — allerdings Fuji-based)
02.04.2017
Madame Prunus (in full bloom)
31.03.2017
Kabbalapatterns
Es gibt Frauen
deren Namen
enden auf E
Andere wiederum
aufhören mit A
Erstere hinterließen
erschütternde
Erkenntnis und Enttäuschung
Allerletzte brachten
abenteuerliche
Aussichtslosigkeit dann Aufbruch
Mir
Was wiederum
Frieden bedeutet
oder Welt
in den russischen
Chiffren
Мир
Symbole
Zeichen
Bilder
Schicksalssemiotik
Idiotenexegese
Finde deinen Platz
29.03.2017
Fahrenheit 72
Oh ja tiefer
schnell
noch schneller
stampft’s achtundvierzig mal
rein raus hoch und runter
im alten Rübenkraut
aber hallo pro Sekunde
sexy Anblick ganz besonders
beleidigte Sachverständige
verschatten beim Gesimse
Parthenelster hat ne Meise
klaut irrlichternd sommerlich
galoppierende Flip-Flops
polierte Katzenköpfe
platt getreten erinnern an
Schneckenmus im Fluchtschuh
schockgefrostete Langsamkeit
gemahnen sie
mich.
28.03.2017
Kostbarer Staub einer Reisebekanntschaft im Schnee
Konstantin Paustowskij-Mashup
Wer noch nie
die Erregung
empfunden hat
die von dem
kaum hörbaren Atmen
einer schlafenden
jungen Frau
ausgeht
der weiß nicht
was Zärtlichkeit ist.
Aber wer brauchte
die Zärtlichkeit
eines heruntergekommenen
Scheusals?
Jean Erneste Chamette hatte
schon lange beobachtet
dass die Leute
denen er begegnete
den einzigen Wunsch hatten
schnell wieder von ihm
wegzukommen
und sein hageres
graues Gesicht
mit der schlaffen Haut
und den stechenden Augen
zu vergessen.
Er wusste
dass man
jedes Wort
einer Frau
jede Wimper
die sie verliert
jedes Stäubchen
auf ihrem Kleid
bis zum seelischen
Schmerz
lieben kann.
Gehen Sie
sagte sie leise
der Gott der Poesie
möge Ihnen
alles
verzeihen.
Lernen Sie
mein Freund
die Phantasie zu meistern
zu der Menschen und zu
Ihrem eigenen Glück
nicht zu ihrem
Kummer.
Hat es Zweck
ihn davon zu
überzeugen?
Und sich selbst auch?
Sie lachte und
legte die Hand
über die Augen
Draußen glühte
das Abendrot
als ob es nie
verlöschen könnte.
Paddy Mulcahy – Brother Walks In