31.03.2017

Kabbalapatterns
 
 
Es gibt Frauen
deren Namen
enden auf E
Andere wiederum
aufhören mit A

Erstere hinterließen
erschütternde
Erkenntnis und Enttäuschung

Allerletzte brachten
abenteuerliche
Aussichtslosigkeit dann Aufbruch

Mir

Was wiederum
Frieden bedeutet
oder Welt
in den russischen
Chiffren
Мир

Symbole
Zeichen
Bilder

Schicksalssemiotik
Idiotenexegese
Finde deinen Platz

29.03.2017

Fahrenheit 72
 
 
Oh ja tiefer
schnell
noch schneller
stampft’s achtundvierzig mal
rein raus hoch und runter
im alten Rübenkraut
aber hallo pro Sekunde
sexy Anblick ganz besonders
beleidigte Sachverständige
verschatten beim Gesimse
Parthenelster hat ne Meise
klaut irrlichternd sommerlich
galoppierende Flip-Flops
polierte Katzenköpfe
platt getreten erinnern an
Schneckenmus im Fluchtschuh
schockgefrostete Langsamkeit
gemahnen sie
mich.

28.03.2017

Kostbarer Staub einer Reisebekanntschaft im Schnee
Konstantin Paustowskij-Mashup
 
Wer noch nie
die Erregung
empfunden hat
die von dem
kaum hörbaren Atmen
einer schlafenden
jungen Frau
ausgeht
der weiß nicht
was Zärtlichkeit ist.

Aber wer brauchte
die Zärtlichkeit
eines heruntergekommenen
Scheusals?

Jean Erneste Chamette hatte
schon lange beobachtet
dass die Leute
denen er begegnete
den einzigen Wunsch hatten
schnell wieder von ihm
wegzukommen
und sein hageres
graues Gesicht
mit der schlaffen Haut
und den stechenden Augen
zu vergessen.

Er wusste
dass man
jedes Wort
einer Frau
jede Wimper
die sie verliert
jedes Stäubchen
auf ihrem Kleid
bis zum seelischen
Schmerz
lieben kann.

Gehen Sie
sagte sie leise
der Gott der Poesie
möge Ihnen
alles
verzeihen.

Lernen Sie
mein Freund
die Phantasie zu meistern
zu der Menschen und zu
Ihrem eigenen Glück
nicht zu ihrem
Kummer.

Hat es Zweck
ihn davon zu
überzeugen?
Und sich selbst auch?
Sie lachte und
legte die Hand
über die Augen
Draußen glühte
das Abendrot
als ob es nie
verlöschen könnte.
 
 
Paddy Mulcahy – Brother Walks In

26.03.2017

Äquinoktium
 
 
wein in den schlaf hinein
sinnlose illusion bedrängt
kopf lächelt haut leben tot
klammert leere langeweile
heuchelt klein das konzept
von fahrrad küsst frühling
betrug schönen scheiterns
samstags ziellos umarmen
im märchenpark besonnen

24.03.2017

Transitterror
 
 
Angst isst Knochenmark
fräst sich lautlos Richtung
Hirn schlägt Zähne aus dabei
vielleicht und das Gesicht zu Brei
entstellt ohne Erinnerung alle Zukunft
endlich ein missratener Sonnenuntergang
die Liebe mit Verfallsdatum wohl und trostlose
Kindertränen voll Neid auf Unmögliches und alles
fragt warum ich umarme dich zärtlich mein Bruder
ohne Worte ohne Antwort.

21.03.2017

Frei nach Heidegger
 
 
Surrender (engl. für: aufgeben oder kapitulieren [letzteres wiederum aus dem Lateinischen capitulum – kleiner Kopf; diesen einem Gegner hin halten bzw. einen Kopf kürzer gemacht werden, sterben]).
– Eigentlicher Ursprung im Altfranzösischen sur rendre: zurück geben.

Aufgeben meint somit: etwas zurück zu geben; etwas, das nicht mehr ist, war oder sein wird, bzw. könnte. Ein Loslassen von Ideen, Erinnerungen, Hoffnungen, zum Beispiel – konkret, möglicherweise: ein Zuhause, einen Beruf, eine Liebe, zahllose Phantasien, einige Haare, eine Schlacht, ein Leben, sein Leben.

Aufgeben heißt in dieser Lesart also, etwas Substantielles zu opfern.
Was bliebe dann noch, letztlich?
Nichts mehr zu verlieren.
Demnach totale Freiheit.

Substantiviert man allerdings aufgeben wird daraus: Aufgabe.
Und dieses Wort wiederum enthält: Gabe.

So und in Gänze betrachtet könnte surrender auch bedeuten, es gäbe nichts mehr zu verlieren, etwas stirbt, wird geopfert, eine Gabe auf sich genommen – und dann etwas aus totaler Freiheit zurück gegeben.

(Note to self: Am Nullpunkt angekommen sieht der Himmel von unten am schönsten aus.)

20.03.2017

Traumwipfelpfadende
 
 
Ausfahrt Ground Zero und sonst nichts
als surrender wollen dürfen müssen
stürmischer Stock erst in Elle dann Speiche
macht fertig mich lass anschließend fixen
meine Glaubenssätze gleich Blitzbeton und
einen schicken Neustrick wagen vielleicht
etwas wie Baugesetznäsl.

Geschichten sind es doch wir erzählen
sie uns als ungebremsten Aufprall:
Erinnerung.

Der Monstertruck von hinten
schiebt mich ich schiebe Nitro nach
in seinen Tank der kleine Franzose
himmelschreiendes Fenster oben kreuzt Schiene
Funkenflug rammt Tram das Kassettendeck
zermalmt innen stirbt Musik wie:

Erinnerung
an todgeweihte Kinder mit Entengrütze
in der Lunge mir verrecken im Arm
eine Nummer ewig wahlwiederholt
zur Zugmaschinenfahrerkanzel beichte ich mich hoch
greife Zöpfe bis unters Knie am Steuer sitzt sie
warmlächelnder Vulkan mit Zahnlücken
bombenkratergroß vom Sommer gesprosst
schulterzuckt sie zuckersüß:

Mädchen mit Kupferdraht zu Gott
ihn entreiße ich ihr Strichcoderätsel aber
gebiert im Sekundentakt dieses Gelöt und
Geduldsfäden reißen aus diesem Dickicht
muss ich raus ohne Angst lächelt sie dann
auch ich lache wechselnd das Programm.

14.03.2017

(H)ALO (S)PECIA(L)
 
 
Räudig rennt der Fuchs
frühlings rund im Kreis
mit ungewolltem Heiligenschein
das halt ist der Preis
für Highly Sensitive Living.

Das flauschige Fell flockt von ihm
büschelweise durch den Wald
matt und rostig und gestorben –
zarte Antenne war es einst
jetzt ohne Empfang und sinnlos geworden.

Vier andere Haare hatte er gesammelt
Aschenputtel ließ sie fallen
ein jedes davon lang und
schwarz und schön und
voll duftender Erinnerung.

Der Reinecke mag Bilder
Sprache ist nicht so sein Ding
Worte sind wie Viren – bestenfalls
krallen sich in Herz und Hirn
und furunkeln wie ein Überbein.

Also steht das erste Haar
für seine neue Sichtbarkeit
Keine Tarnung mehr noch Mimikry
ungeschützt, verletzlich gar
doch eigentlich ganz wunderbar.

Das zweite – das erinnert ihn
an die Angst vor dem Verlust
an den lonesome wolf in ihm
der er glaubt zu sein – aber:
»Unsinn!«, nimmt er sie lachend an.

Nackte Haut für tiefen Blick
das sieht er dann beim dritten Haar
Blank ist der Hinterkopf und rein
bombt Wege frei – mit Leichtigkeit
zu Gefühl und zu Ideen.

Das vierte und das letzte Haar
steht für Vergangenheit
all das, was war und nicht mehr ist
alte Zöpfe, filzig und vergiftet –
ab damit und tief vergraben.

So tanzt der Fuchs bald nicht mehr
fürchterlich umher im Unterholz und ängstlich
nein – er zeigt sich fröhlich dann
und munter mutig auf der Lichtung
so stolz und ganz authentisch.