Der Job (revisited)

Phlippe Jaccottet musste wohl erst 85 werden, damit ich ihn entdecke. Und nun lächelt auch Konstantin Paustowskij gütig von seiner Wolke; macht mir Mut.

Wenn ich doch etwas gewollt habe in diesem Leben, in dieser Arbeit, dann dies: So wenig wie möglich zu mogeln; weder der Versuchung der Eloquenz nachzugeben noch den Verführungen des Traums oder den Reizen des Ornaments; genausowenig den gebieterischen Vereinfachungen des Intellekts oder dem falschen Glanz der Okkultismen, ganz gleich, welchen Schlages. Zu versuchen, dem, was man fühlt, immer so nahe wie möglich zu bleiben, als gebe es wirklich Wendungen, Rhythmen, Worte, die »wahrer« sind als andere; als gebe es, trotz allem, eine Art von »Wahrheit«, die ein, ich weiß nicht welches, Sinnesorgan in uns genauso aufspüren würde wie die Lüge. Und wenn es diese Art von Wahrheit geben sollte, folgte für uns daraus nicht notwendigerweise eine Art von Hoffnung?

— Philippe Jaccottet (2002), im Vorwort zu: Der Unwissende

In loser Folge werde ich hier weitere Texte von Jaccottet einstreuen. Sie sind es wert. Und noch viel mehr als das.

Lektion in Demut

© Jen Waller [http://www.flickr.com/photos/jenwaller/2777669748] CC-BY-NC-SAFräulein Rottenmeier habe ich erfunden, gar Großes hatte ich mit ihr vor, vermessen half ich der Fiktion auf die Sprünge, verplante gegenwärtig alle Zukunft, schob verschämt und mit pochendem Herzen einen Zettel ihr unter, hoffend, die Handlung voran zu treiben, verstieg mich regelrecht in demiurgischer Allmacht, wähnte mich erlöst beim Erscheinen der manipulierten Koindizenz — doch ich erschrak bloß aufs Heftigste, als Fraulein Rottenmeier einfach ausstieg. Ohne eine Wort.
Ich hätte es wissen müssen.

Wer hat Ihnen das Recht gegeben, mit solchen Dingen wie Liebe zu spielen? Ihr Talent? Davon haben Sie doch nur ein Gramm. Wenn es auch mehr wäre, so wäre das gleichgültig — ein Talent ist geschaffen, um den Menschen Freude zu bereiten, und nicht die Menschen sind geschaffen, damit dieses Talent wuchert wie ein Giftpilz. Ein echter Mensch muss in allem echt sein: in den Versen, im Leben und in den Kleinigkeiten. Sie aber sind kein echter. Auch ihre Verse sind Lug und Trug. Sie haben sich mit ihnen aufgeputzt wie mit einem schönen Anzug, um sich vor den Leuten aufzuspielen. Das ist alles, was Ihnen ein so ein kleines und dummes Mädchen sagen kann. Leben Sie wohl.

— Konstantin Paustowskij: Die Windrose (1947)
 
 
Epic45 – In all the empty houses

Eine Frage des Fokus

Mein Weg bestand lange Zeit darin, mich voll und ganz auf den Schmerz zu konzentrieren, ihn auszuloten bis in schwärzeste Tiefen, um anschließend jene unscheinbaren Perlen an die Oberläche zu hieven, die ich im stinkenden Morast gefunden hatte — und diese als Beweis für eine mögliche Schönheit ins Licht zu halten, an die ich tief drinnen stets inständig glaubte. Doch niemand glaubte mir.

Dann fand ich dies:

Vielleicht ist es die Aufgabe der Schriftsteller, der Dichter und Maler, das Leben als das Schönste und Vernünftigste, was es unter der Sonne gibt, zu preisen.

Konstantin Paustowskij, Forsthaus 273