22.01.2014

Die meisten halten ihn für einen Kretin. »Der Kerl hat bei der Geburt zu wenig Sauerstoff abgekriegt«, behaupten jene, die es noch halbwegs gut mit ihm meinen. Andere wiederum sagen – meist hinter vorgehaltener Hand – er wäre im Fuselrausch gezeugt. Das äußern jene, die ihn am liebsten weggebracht sähen – in irgendein Heim, weit weg, vielleicht in ein Lager für Grenzdebile, auf jeden Fall raus aus ihrem Sichtfeld. Und im Idealfall: dauerhaft.

Er hat einen Narren an mir gefressen. Schon morgens werde ich vom »Pling« seiner WhatsApp-Nachrichten geweckt. Meistens sind es Ensembles abstruser Smileys und Emoticons, selten Text – und wenn, dann kurz. Worte sind nicht so sein Ding, Worte winden sich. Bilder sind ihm näher. Bilder verstehen selbst Kinder,

Als wir uns kennen lernten stotterte er wie ein Schiffsdiesel vorm Absaufen. Rote Ohren hatte er, wenn er mit mir sprach – besser: es versuchte. Oft brach er seine kläglichen Anläufe nach endlos hingezogenen Halbsätzen vor Aufregung ab. Insgeheim hatte er Angst. Weil er mich nicht so richtig einschätzen konnte. In seinen Augen war ich ohne jeden Zweifel ein super schlauer Kerl: Sprachgewandt, ein Thesaurus auf staksigen Beinen – Worte rausballernd, die sein Hirn weder jemals gelesen noch vernommen hatten. So völlig anders. Eindeutig unerreichbar.
Irgendwas zog ihn dennoch zu mir hin.

Wahrscheinlich lag es einfach daran, dass ich ihn ernst nahm. Nie lachte ich ihn aus. Und wenn ich lachte, dann wollte ich, dass er mit mir lacht. Fast immer gelang es mir. Oft verblüffenderweise gerade dann, wenn ich meine Ironie-Sophismen zum Besten gab – jene off-kilter-Kalauer, die erst um drei Ecken äugen, dann absurde Haken schlagen, um erst ganz zum Schluss jene erlösende Leuchtrakete namens »Boah ey, krass!« abzufeuern.
So gewann ich mit der Zeit sein Vertrauen.

Und dadurch einen treuen Freund.

Maurice ist sein Name. 33 ist er heute geworden. Dass ich an seinen Geburtstag überhaupt gedacht habe, hat ihn extrem berührt. Ich war gerade bei ihm. Mit zwei Hachenburger Pils in der Jacke stand ich vor seiner Tür, klingelte und erschreckte ihn dadurch fast zu Tode. Doch das Glück, mich zu sehen – zu sehen: ich komme zu ihm! – reanimierte ihn innerhalb einer Sekunde.

Jetzt weiß ich wieder, wie Freude aussieht.
Tief empfundene Freude im Gesicht eines tumb wirkenden Riesenbabies.
Eines pummeligen Riesenbabies, dessen Herz so viel Zuneigung und Wärme besitzt, um ganz Hoppengarten im Falle eines sozialen Temperatursturzes am Leben zu halten.

Wir tranken unser Bier. Der Küchenofen bollerte sein Lied.
Wir sprachen nicht viel. Nur das Nötigste, es passt auf zwei Bierdeckel.
Lebensechte Kretins stammelten derweil Stuss auf RTL2.
Leise genug, um zu verstehen, dass sein Schweigen aus jeder Pore mir ein »Danke« entgegen schreit.

Es klingt wie eine Explosion.
Der Sprengstoff dafür ist so billig.
Ein bisschen Respekt, ein wenig  Achtung – und ein feines, perfekt temperiertes Bier.

21.01.2014

Haarspitzen legen sich krumm und Ohren sich an.
Augenlider opponieren gegen aalglatte Gravitation.
Alles auf den Barrikaden, im Kampf mit unsichtbarer Melasse.
Doch Glieder baumeln längst schlaff und unsagbar saftlos.

Rauschen in den Ohren: erst Pink, dann Weiß, dann stumm.
Todes Bruder klopft an, betritt rumpelnd den Raum.
Ein leises Räuspern, ungemein sanft, beinahe schon nobel.
D
ie Worte jedoch harsch und frei von Kompromissen:
»Licht aus, Hände auf die Decke. Hopp-zack!«

Und so gebiert mühelose Müdigkeit traumhaften Schlaf.

20.01.2014

Die zeitliche Änderung von Impulsen nennt man: Kraft.
Vier Semester mentale Power-Gymnastik liegen hinter mir.
Jetzt bin ich gespannt, wie sich das anfühlt:

Wenn der spirituelle Muskelkater einsetzt.

19.01.2014

Was nützt mir ein Mathe-Leistungskurs
den ich 1988 mit Zwo-Punkt-Null abgeschlossen habe

 JETZT

in einem Moment
wo mein Wissen
mehr als gefragt ist
fast schon erfleht wird
und ich gestehen muss:

 NIX WEISS ICH MEHR

Bittere Lektion:
Man muss im Training bleiben.

Auch in Bezug auf
Empathie und Wärme.

 MENSCH!

18.01.2014

Lernen, zu akzeptieren.
Und dann akzeptieren, zu lernen.
Ein simpler Plan.

Ein Plan, den nur kleine Kinder beherzigen.
Immer und immer wieder, und zwar spielend.
Bis die große Angst kommt.

Bekanntermaßen ist die Angst aber nur
eine stinkende Socke unter dem Bett
eines ausgebufften Hosenscheißers,
der erwachsen tut, immer und immer wieder.
Und zwar quälend.

17.01.2014

Error 409 Conflict
:: Indicates that the request could not be processed because of conflict in the request, such as an edit conflict in the case of multiple updates

Jahrzehnte halbgarer Zwischen-Updates fräsen Spuren in den Frontallappen.
Da gibt’s am Ende nichts mehr on-the-fly zu fixen.
Dann muss man ran, mit dem ganz großen Besteck:

Stecker ziehen.
Neo-Cortex neujustieren.
Limbisches System reinstallieren.
Basis-Konfiguration aus Backup zurückspielen.
Ein Stoßgebet zum Himmel.
Eine Flugzeugladung Vertrauen.
Dann mutig Rebooten.
Mehr braucht es nicht.
Fertig ist Version 2.0.

(Ich wusste es natürlich vorher; ich hatte es nur vergessen)

16.01.2014

Ganz vergessen hatte ich,
wie schön das ist:

Der Anblick junger Menschen,
die sich zärtlich – ja, fast ängstlich –
bei den Händen halten,
sich dann neckisch
und mit roten Ohren
gegenseitig Nasenküsse schenken,
so, wie es vermutlich Eskimos* auch tun.

Zu sehen, wie Stille eine heilige Glocke um sie legt,
im subtilen Getöse der studentischen Fleischbeschau.

* Indigene Inuits (für die PC-Hanseln)

15.01.2014

Eine Niederlage, wieder mal,
so sähe es wohl aus.
Wäre ich nicht hier und jetzt.
Nach all: dem.

Eine Niederlage,
wie ich sie nun verstehe,
sieht gänzlich anders aus.
Unscheinbar, scheinbar:

Meine Niederlagen widerspiegeln
sich in geringen und geringsten Dingen,
nicht im äußeren Rotz und Gelöt,
das ist als Maßstab für mich mausetot.

Gesiegt habe ich stets dann,
wenn es mir gelingt, zu lachen,
über mich und meine
dumme, alte Angst.

Sie vorsichtig umarme, zärtlich tröste,
ihre Hand nehme, in meine und endlich rufe, so leise ich kann :
KOMM HIER LANG –
UND SPRING!

14.01.2014

Note to self:
Nicht vergessen, stets ruhig durch die Buchse zu atmen, Haltung und Stil zu bewahren, zu wissen, wo die Grenzen sind, auch ‘nein’ sagen zu dürfen – und: zu lächeln, aus der Tiefe des Traums.