Köln. Hodenkneterstadt.

Wir lebten inzwischen am Rande des Eigelsteins, einer türkischen Enklave in der Nordstadt. Von den Bahngleisen, auf denen der Thalys mehrmals täglich zum Gare Du Nord rauscht, trennte uns bloß ein Häuserzug. Halbe Tage konnte ich nun nicht mehr in Cafés verbringen, ich beliess es meist auf ein, zwei Espresso. Länger hätte ich auch nicht mehr ertragen. Das unaufhörliche Dröhnen der Stadt begann an meinen Nerven zu zehren. Schon der Gang um’s Eck, zu Ali, meinem Kioskmann, wurde zur Qual. Meinen Platz auf dem Gehweg musste ich mir immer öfter mit spitzem Ellbogen und abgewendetem Blick ertrotzen. Schleichend verwandelte sich der gesamte Alltag in Kampf. Gestank penetrierte plötzlich ungefragt die Nase – und die Ohren wurden malträtiert von jaulendem Türk-Pop, der mich stets an Sänger denken ließ, denen ein unsichtbarer Derwisch die Hoden knetet. Furchtbare Musik. Dabei bin ich wirklich offen, was Musik betrifft: Es gibt so viele unterschiedliche Stile und Richtungen, die mich wahrhaftig bei den Eiern packen. Doch der Zugang zu orientalischen Kompositionen wird sich mir wohl nie erschliessen. Er wird auch nicht erleichtert durch ein infernalisch lautes »Ayshe« aus einem tiefergelegtem 3er-BMW, der unter meinem Fenster dahin wummert – gerade in einem Moment, wo ich Zuflucht suche in den leisen Klängen von Sigur Ròs.

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