Haiku (L)
Stories, die du dir
lang schon erzählst, über dich –
stimmen sie jetzt noch?
19.05.2023
Momente (XII)
Vielleicht wurde mir diese Gabe einst aufgenötigt, um zu überleben: andere Menschen lesen zu lernen. Ich weiß es bis heute nicht. Eigentlich ist es auch egal, warum. Lange Zeit nutze ich diese Fähigkeit, um das zu erzwingen, an dem es mir mangelte – hilflos, ungefragt, übergriffig, manipulativ. Das kann ich nicht mehr ändern, retrospektiv. Es tut mir leid.
Aber ich verurteile mich deshalb nicht (mehr), ich sehe und verstehe das einst leidende Kind. Und nun, als reifer Mann, ist es anders und klarer: Diese Gabe, dieser Fluch, dies ist eine Polarität.
Was einst mir galt – und nur mir allein – gilt es zu verschenken. An das ebenso leidende Gegenüber, wenn gefragt und immer nur als Angebot. Aber stets aus Liebe. Und dem Wunsch nach Begegnung. Und Heilung.
PS: Alles Gute zum Geburtstag, Beate; I owe you so much – and deserve so little.
24.04.2023
Human (dignity)
Midwife & Vyva Melinkolya – Miss America
»Was bin ich nur für ein verfickter Voyeur«, dachte ich, als ich auf den Auslöser der Sony Alpha drückte, ich bin ein Seelenräuber, jemand, der das vermeintliche Leid anderer nutzt, um mich – vermeintlich künstlerisch – zu produzieren, meinem Ego zu schmeicheln. Ein empathiefreier Technokrat.
Ich beobachtete diese Frau, die man vor einhundertfünfzig Jahren als ‚Monster‘ (Neudeutsch: Freak/Weirdo) bezeichnet und in einem Kabinett gegen Entgelt ausgestellt hätte, dann verstohlen – und bewusst beiläufig – aus meinen Augenwinkeln, als sie nach ihrem sun-nap erwachte und ihre Weiterfahrt aufgleiste. Ich war überrascht, ihr Gesicht zu sehen: Es war offen, liebenswürdig, so schön und warmherzig. Keine Spur von Leid, Ohnmacht, Scham oder Zorn. Was ich sah: Akzeptanz und Würde. Sonst nichts. Ihre körperliche Deformation war schlagartig egal.
Ich sah: Einen Menschen.
Es dauerte gefühlte Ewigkeiten, bis sie sich in den Rollstuhl bugsiert hatte. Anschnallen. Bedienelemente vom E-Rolli in Position bringen. Ein triumphierendes Lächeln. Dann brauste sie ab Richtung Palmengartenwehr.
Ich sah ihr lange nach. Voll tiefster Bewunderung und Demut.
Es geht um den Wert, dem man sich selbst beimisst.
Nichts anderes zählt.
Dafür Dank.
10.04.023
Baltic mood (There’s a god above)
alucidnation – Spring
18.03.2023
Still standing (gracefully)
A Winged Victory for the Sullen – Keep It Dark, Deutschland
19.02.2023
Like a sun to the ocean (Born in the night)
Young Fathers- Rice
07.02.2023
Under pressure (This is our last dance)
Oliver Coates – One Without (Aftersun OST)
05.02.2023
Crowdfunding (Solidarität muss praktisch werden)
Bruno Bavota & Chantal Acda – Connecting Dots
30.01.2023
When it’s all is mixed up (better break it down) Tears For Fears – Break It Down Again
10.01.2023
Momente (XI)
1989. Die Mauer brach, ich wurde flügge, verwarf familiäre Erwartungen und ging zum Zirkus. Mein Vater war damals so alt, wie ich jetzt, er verstand meine Entscheidung nicht, doch vom Herzen sagte er: ja. Beim Blick in den Spiegel entdecke ich nun Züge von ihm, in meinem Antlitz. Und nun verstehe ich.