01.02.2014

Eine sehr liebe Person – Kamerad und Kriegsheimkehrer wie wir alle (im übertragenen Sinn) – hat mir heute einen Buddha geschenkt. Aus Ton gebrannt ist er und mit geheimen heiligen Ingredienzen aufgeladen, um Kraft durch Magie zu spenden. Den weiten Weg aus Thailand hat er hinter sich. So weit bin ich bisher noch nie weg gekommen in meinem Leben. Der kleine, weise Mann passt in meine Hand. Er sitzt im Schatten, unter einem Baum, offenbar neben einer Lotusblume. Er meditiert. Er lächelt nicht. Das muss so. Emotionen perlen einfach ab. An ihm, ganz schön und ganz schön sanft. Deshalb heißt es wohl auch »Lotuseffekt«. Die Pflanze färbt super ab (kleiner Scherz, haha).

Nein, ich darf nicht zynisch werden. Niemals.
Ich muss aufpassen. Und auch abperlen lassen: All diese Ignoranz, Gedankenlosigkeit und Lethargie um mich herum. Wie ein Schützenpanzer auf Ritalin scheppert das alles auf mich zu, grinst diabolisch (Panzer können das!) und richtet mit großem Geplärre das Kanonenrohr in meine Richtung. Judo hilft da kaum.
Okay. Der Panzer existiert nicht – besser: Nur im meinen Kopf.
Ich atme ein. Ich atme aus. Ich bin frei.

So geht das doch, Bodhi, oder?
Bodhi? Hörst du mich?
Hallo …?

31.01.2014

LEKTIONEN IN DEMUT (3)

Mich umgeben gerade viele junge Menschen. Teilweise sind sie noch sehr jung, sie könnten Söhne und Töchter von mir sein. Anfangs war ich skeptisch – nein unsicher, in ihrer so verblüffend wärmenden Gegenwart. Grundsätzlich verängstlicht in Bezug auf meine Rolle. Diese findet sich jetzt langsam. Nach fast einem Semester.

Was mich so bass beeindruckt: Diese jungen Wesen sind durch die Bank liebenswert, und zwar extrem. Und jeder von ihnen ist mehr oder weniger auf einem tollen, spannenden und fast immer richtigen Weg.

Wenn ich dann – so, wie heute – in der warmen Sonne inmitten dieser Herde junger Wölfe und Täubchen verweilen darf, fühle ich mich gleichzeitig alt und jung, glücklich und traurig, zerrissen und geheilt.

Dieses unbändige Lust aufs Leben, das horizontlos vor ihnen ausgebreitet liegt – ein Supermarkt der Möglichkeiten.
Diese umwerfend-mitreissende Unbeschwertheit, die noch nicht an Morgen denkt.
Dieses ausgelassene Im-Moment-Sein, zu wissen: »Was zählt ist auffem Platz«. Und nichts anderes.
Diese Nähe und Verbundenheit ohne Konvention, die sich über flüchtig zugeworfene Blicke erzählt.
UND DIESES LACHEN!

Dann könnte ich weinen.
Weil es damals so anders war, bei mir.
Mir dies alles nicht zuteil wurde.
Dummerweise.
Weil ich es so wollte.
Damals.

Die jungen Menschen akzeptieren mich – so, wie ich eben bin, ich werde nicht als »Alter Mann« verlacht.
Jedoch bin ich mir bewusst, dass ich nicht an ihrer Aura teilhaben kann – niemals, und nie gänzlich.

Ich bin der Zausel, ein willkommener Zaungast, das reicht und das ist gut – und ich darf von ihnen lernen:
Nicht zu trauern, über mich – nein, mich zu freuen, über das Leben, besonders aber für sie.

30.01.2014

Man hört mir zu. Sehr genau. Neugierig. Unterbricht mich nicht. Ist still. Lässt mich ausreden. Bis ganz zum Schluss. Ist angeregt. Vielleicht sogar dankbar? Ein klein wenig, möglicherweise.
Ich werde mich allmählich dran gewöhnen.
Müssen.

Dürfen.

29.01.2014

Schon toll, was man alles in 18 Stunden gebügelt bekommt –
wenn Gevatter Flow erst mal im Raum steht, irgendwann freudig zu tänzeln beginnt und einen dann in vergnügt beschwingten Runden durchs Zimmer wirbelt, an einem Ort, an dem Staubflocken geradewegs wie Funken im sonnigen Gegenlicht stieben, lustig flirren, nicht gewillt zu landen – wozu auch? – in der Schwebe ist es einfach so schön schwerelos.
So zergeht der Tag munter prickelnd auf der Zunge, macht am Ende ganz laut ZISCH! und legt sich dann zufrieden seufzend ins Gebüsch.

28.01.2014

Kopf brummt, zu viele Worte gedacht heute. Zu wenig gespürt. Schlechtes Gewissen, wider besseres Wissen. Was tun? Überhaupt tun? Was müssen? Nichts müssen, alles darf. Tee trinken. Ab und zu warten. Geduld erdulden, demütig darben. Nein, zärtlich umarmen, alle vermeintlichen Fehler, die es nicht gibt, in Wirklichkeit. Weiß ich. Alles. Doch! Nein, niemals zweifeln, höchstens an den Zweifeln. Alles ist so. Ja, sie kommen wieder. Die Worte. Meine. Unbedacht.

27.01.2014

Siebenundzwanzig Tage ohne Alkohol sind … irgendwie doch  sehr … »protestantisch«.

Nein, eher so »Raufasertunnelblick auf OM mit eingeschlafenen Füßen«.
Nee, vielleicht doch mehr: »Hottest shit in self-optimizing and self-quantifying holistic body-shaping work-out programs«.
Hm, wenn ich drüber nachdenke: »Wir haben zugegeben, dass wir unseren Emotionen gegenüber machtlos waren, dass unser Leben nicht mehr zu meistern war«.
Oder, möglicherweise noch präziser: »Wir haben von uns eine gründliche und furchtlose [fürchterliche?] Gewissensinventur gemacht«.
Stopp-stopp-stopp!

Siebenundzwanzig Tage ohne Alkohol sind eigentlich wie siebenundzwanzig Tage mit Alkohol.
Anders subtil.
Das ist gut so.
Und ja auch nicht für die Ewigkeit.

26.01.2014

Augen auf sechs.
Laufschuhe an halb acht.
Schauer über 10 km.
Apfel, Birne, Clementine in Bambus.
Lesen von 23 bis 244.
Augen zu elf.
Café com leite.
Zucker rein.
Lesen von 1 bis 78.
Dämmerung, Paul in Sieg.
PLATSCH!
Ofen an.
Tee drauf.
Music on.
Sonntag aus.

25.01.2014

Inzwischen kann ich Murakami – insbesondere seinen Hang zu Ritualen und festen Regeln – gut verstehen: Sie sind nichts anderes als ungemein hilfreiche Leitplanken, um sich besser auf das Wesentliche konzentrieren zu können.

Was gemacht werden muss, das wird gemacht – ohne es immer wieder in Frage stellen zu müssen.

So bleiben Raum und Energie erhalten – für all jene Dinge, die dürfen.

Banal einfach. Extrem wirkungsvoll.

(Was sich bei mir nie als Ritual einstellen wird: Texte, wie diesen hier, regelmäßig auf einem Tablet zu schreiben…)

24.01.2014

Wenn knüppelharte Kerls mit
Fusselbart und  Socken
auf kalten Kirchenböden hocken
ganz verzückt in halligen Kadenzen
einer Poppy Ackroyd glänzen
dann ist Liebe wieder eine Kolonie
und Musik ganz großer ambienter Shit.

23.01.2014

Wenn du etwas wissen willst und es durch Meditation nicht finden kannst, so rate ich dir, mein lieber, sinnreicher Freund, mit dem nächsten Bekannten, der dir aufstößt, darüber zu sprechen.

 
— Heinrich von Kleist: Über die allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Reden (1805)

Nicht nur formen sich Gedanken, indem man darüber mit ‘dem nächsten Bekannten’ spricht – nein, sie verfestigen sich im selben Maße. Und das ist noch viel schöner!
Denn so wird Vages endlich manifest, Unausgegorenes langsam gar.
Angst, über die man redet, verliert nach und nach ihren Schrecken.
Und Zuneigung verstärkt sich wunderbar.

Alles, was es braucht, ist ein Gegenüber. Den anderen. Das Andere.
So einfach eigentlich.
So schwer manchmal.